Börsengang bei Unternehmensnachfolge? Ralf Schröder und Josef Rusch im Interview mit der Finanz und Wirtschaft.
In welchen Fällen raten Sie KMU, im Rahmen einer Nachfolgeregelung an die Börse zu gehen?
Josef Rusch: Ein Börsengang wird zur Option, wenn der Verkauf ans Management oder an Mitbewerber entfällt, zum Beispiel weil der Unternehmer nicht an seine Konkurrenten verkaufen will oder die Übernahme durch das Management nicht finanzierbar ist. Der naheliegende Schritt ist dann die Trennung von Führung und Kapital, wobei die Eigentümer die Geschäftsführung abgeben.
Welche Vorteile bringt ein Börsengang mich sich?
Ralf Schröder: Erstens schafft er Freiraum für die Entfaltung ambitionierter Führungspersonen. Zweitens wird der Wert des Unternehmens vom Kapitalmarkt und nicht von Mitbewerbern festgelegt, was in der Haustechnikbranche der Fall ist.
Welche Voraussetzungen sollten geschaffen werden?
Josef Rusch: Die Vorbereitung eines Börsenganges absorbiert vor allem den Unternehmer. Seine Management- Kapazitäten können zum Engpass werden. Eine fähige Geschäftsleitung und belastbare Strukturen sind unabdingbar. Was bedeutet das am Beispiel der Poenina AG? Ralf Schröder: Nach dem Zusammenschluss von sechs Unternehmern im Jahr 2018 zur Caleira AG fusionierte diese 2020 mit der Poenina AG. Das Wichtigste muss im Kopf des Unternehmers geschehen. Er muss Entscheidungskompetenz abgeben und der Geschäftsleitung vertrauen. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Umgekehrt muss die Geschäftsleitung fähig und willens sein, die Verantwortung zu tragen.
Gibt es auch Risiken?
Josef Rusch: Die Stimmung am Kapitalmarkt kann sich schnell drehen. Was heute geliebt wird, kann schon morgen geächtet sein. Investoren lassen sich nicht zum Investieren zwingen. Mit diesem Risiko muss der KMU-Unternehmer leben. Deshalb gilt: immer einen Plan B in der Schublade haben.
Wie weit voraus sollte diese Option durchdekliniert werden?
Ralf Schröder: Die sechs Gründer der Caleira AG nahmen sich vier Jahre Zeit vom Projektstart bis zur Fusion mit der Poenina AG. Ohne Fusion hätte es bis zum Börsengang vermutlich zwei bis drei Jahre länger gedauert. Aus unserer Erfahrung erscheint ein Vorlauf von fünf Jahren vernünftig.
Zeitungsartikel in der «Finanz und Wirtschaft»